Von Sven Klünder
▲ Taiwan Krise – Eskaliert der Konflikt mit China?
Über 9.000 Kilometer liegen zwischen Deutschland und Taiwan. Trotzdem blicken viele Aktionäre gebannt auf das kleine Land vor der Küste Chinas. Woher kommt der Konflikt, warum ist Taiwan so wichtig für die Wirtschaft und wer wären Gewinner und Verlierer einer Eskalation?
Moin Freunde,
es ist ja nicht so, dass wir zu wenig weltweite Krisen, Kriege und Probleme hätten. In den letzten Wochen wurde auch der Konflikt zwischen China und Taiwan wieder deutlich präsenter. Eigentlich ein Relikt aus Zeiten des Kalten Krieges, jedoch aus vielen Gründen aktueller denn je, was wir uns im aktuellen Blog einmal näher anschauen.
Der Konflikt stammt noch aus Zeiten des chinesischen Bürgerkriegs von 1927-1949. In diesem Krieg kämpften die chinesischen Kommunisten gegen die Kuomintang. Die Kuomintang können, im damaligen Zeitgeist, grob als nationalistisch und autoritär eingeordnet werden. Die bekanntesten Anführer beider Seiten waren Mao Zedong und Chiang Kai-shek. Die jeweiligen Seiten wurden von der Sowjetunion (Kommunisten) bzw. vom Deutschen Reich und später den USA (Kuomintang) unterstützt.
Im Zuge des Krieges gewannen die Kommunisten immer mehr die Oberhand und die Kuomintang mussten sich letztlich auf die Insel Taiwan zurückziehen.
In der Folge gab es zwei chinesische Staaten. Das kommunistische Festland (Volksrepublik China) und die Republik China (Taiwan). Während die Volksrepublik China Taiwan als „unabtrennbaren Bestandteil des chinesischen Territoriums“ sieht, versteht sich Taiwan als souveränen Staat. Der alleinige Vertretungsanspruch Chinas, den beide Länder haben (und der zeitgleich bedeutet, dass “offizielle” Beziehungen nur mit einem der beiden “Chinas” möglich sind), führte seit Anfang der 1970er Jahre zusehends zur diplomatischen Isolation Taiwans. Aktuell halten nur noch 14 Länder offiziell diplomatische Beziehungen mit Taiwan.
Der Konflikt selbst wurde nach 1949 nur noch zwei Mal bewaffnet ausgetragen, ist jedoch von wiederkehrenden Spannungen, Drohkulissen und Provokationen gekennzeichnet. Diese sind stark von der jeweiligen Innenpolitik, aber auch äußeren Ereignissen abhängig. Aktuell führte insbesondere der Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi am 02. August 2022 zu erhöhten Spannungen. In der Folge kam es zu verstärkten militärischen “Übungen” zunächst von China, dann auch von Taiwan.
Zum einen hat Taiwan eine enorme geostrategische Bedeutung für die USA:
Zusammen mit anderen Ländern der Region (Südkorea, Japan, Philippinen, …) bildet es eine Art amerikanische Kette um China. Ein Fall Taiwans hätte Signalwirkung für die anderen Verbündeten und würde gleichzeitig den Pazifik für China öffnen (Abbildung 1). Viele der US-Verbündeten fühlen sich von Chinas Gebiets-/Inselansprüchen bedroht und haben ähnliche Interessengebiete.
Ähnlich groß ist die wirtschaftliche Bedeutung. Taiwan gilt als das Herz der Halbleiterproduktion. Eine kluge und vorausschauende Industriepolitik – zusammen mit dem Forschungsinstitut für Industrietechnologie – waren hier in den 1970er Jahren die Basis. Die bekannteste Ausgründung des Instituts ist heute eines der wertvollsten Unternehmen der Welt: Taiwan Semiconductor.
Aber auch weitere taiwanesische Unternehmen zeigen, wie wichtig das Land für den Bereich Mikroelektronik ist: Ob Foxconn, MediaTek, United Microelectronics Corporation (UMC) oder Asus. Der Fokus ist klar auf IT-/Elektronikprodukte ausgerichtet, wie auch Abbildung 2 zeigt.
China wiederum möchte natürlich den „amerikanischen Sperrgürtel“ vor der eigenen Küste gerne auflösen. Dazu wird Taiwan auch nicht als eigenes Land, sondern abtrünnige Provinz (ähnlich einem deutschen Bundesland) gesehen. Und auch die Halbleiterindustrie ist von Interesse:
China verfügt mit Zugang zu seltenen Erden über das Produktionsmaterial, in der Technologie sowie im Know-How hat das Reich der Mitte jedoch etwas Nachholbedarf. Einige Produktionsmaschinen wie vom Marktführer ASML stehen dem Land aufgrund von US-Vetos nicht zu Verfügung.
Sollte der Konflikt zwischen China und Taiwan militärisch eskalieren, sind die Auswirkungen nur schwer abzuschätzen und könnten von einem neuen Kalten Krieg bis zu einem globalen Konflikt führen. Insofern soll der Fokus hier allein auf dem wirtschaftlichen Bereich liegen.
Unschwer erkennbar liegt Taiwans wirtschaftlicher Fokus auf dem Bereich IT- und Elektronikprodukte – genauer Halbleiter. Und hier stecken auch die größten Risiken. Viele Industrien sind immer noch von einem Halbleitermangel betroffen, woraus schlussendlich das größte Risiko folgt:
In der Halbleiterbranche herrscht häufig Arbeitsteilung. Viele Firmen arbeiten Fabless, d.h. sie designen zwar ihre Produkte, die Produktion übernehmen aber andere. Zu diesen anderen zählt TSMC – der größte Chiphersteller (Foundry) der Welt. 4 von 10 der größten Foundrys liegen in Taiwan, neben TSMC sind das Vanguard International Semiconductor (VIS), United Microelectronics Corporation (UMC) und Powerchip. TSMC ist in den Top 10 jedoch größentechnisch dominierend.
Die Kunden TSMCs lesen sich wie ein Who is Who der Branche (Abbildung 3). Zwar sind die Zahlen nur nach Umsätzen und nicht nach Stückzahlen aufgeschlüsselt, aber es zeigt sich deutlich: Unternehmen wie Apple, Qualcomm, NVIDIA und Co. könnten im Falle eines eskalierenden Konfliktes (noch mehr) Probleme mit der Halbleiterversorgung bekommen. Anmerkung an dieser Stelle: Hi-Silicon ist ein chinesisches Unternehmen.
Andere Unternehmen wie Samsung, Intel oder Texas Instruments unterhalten noch eigene Halbleiterfabriken. Sie könnten massiv profitieren, da sie im Gegensatz zu ihren Konkurrenten weiterhin ihre Produkte produzieren könnten. Aber auch internationale Foundrys wie Global Foundries (USA), Tower Semiconductor (Israel) oder X-FAB (EU) könnten massiv profitieren, jedoch kaum im geforderten Maße die nötigen Halbleiterprodukte liefern.
China ist aktuell wirtschaftlich stark durch die Null-COVID-Politik belastet. Ein militärischer Konflikt in Form einer Annexion Taiwans wäre hier eine zusätzliche Belastung, die zum Risiko werden könnte. Der Konflikt in der Ukraine zeigt zudem, dass es keine vermeintlich “sicheren Siege” gibt (sofern man bei Kriegen von Siegen sprechen kann bzw. sollte). Dazu kommt auch die Unsicherheit, wie die USA und andere Verbündete reagieren würden.
Die fast sicheren Wirtschaftssanktionen als Minimalreaktion könnten das Reich der Mitte hart treffen und den Wohlstand der Volksrepublik gefährden.
Insofern wäre es doch wünschenswert, wenn es beim “Säbelrasseln” bleiben würde.
Ich bedanke mich fürs Lesen und wünsche eine friedliche Restwoche.
Liebe Grüße
Sven Klünder
Autor dieses Blogs:
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2 Antworten
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Sven