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Turnaround Aktien – Auf zu alter Stärke

Veröffentlicht am 07.04.22 | Lesedauer: 10 Minuten

Von Sven Klünder

Turnaround Aktien – Auf zu alter Stärke

Turnaround Aktien sind eine spannende Kategorie. Sie können sich wie ein Phoenix aus der Asche erheben und zum Renditebringer werden oder das Investment wird zum Desaster. Heute schaue ich mir einmal zwei Kandidaten an.

Das Geschäft mit der Krise

Turnarounds sind Aktien von Unternehmen, die sich in einer Schieflage, eventuell sogar bereits extremen Sondersituationen, befinden. Solche Phasen werden meist von miserablen Geschäftszahlen, sinkenden Gewinnen oder Unwägbarkeiten durch Gerichtsprozesse oder anderen Problemen begleitet, in denen sich die Krise widerspiegelt. Verschärft wird dieser Zustand durch hohe Restrukturierungskosten, wodurch in vielen Fällen Verluste zu verdauen sind, welche die Lage weiter zuspitzen.

Da an der Börse stets die Zukunft gehandelt wird, zeichnen sich derartige Entwicklungen bereits mit einem zeitlichen Vorlauf im Kursverlauf ab. Aufwärtstrends auf allen Zeiteinheiten werden gestoppt und gehen in Seitwärts- oder sogar Abwärtstrends über. Mit anhaltender Krise werden die Kurse nahezu niedergeprügelt.

Hier steht das Unternehmen am Scheideweg: Gelingt die Restrukturierung und Abwendung der Krise kommt es zum Turnaround, andernfalls droht schlimmstenfalls die Insolvenz.

Hier bietet sich für den Turnaround Investor eine einmalige Chance. Wer das Potential frühzeitig erkennt und einsteigt, hat die Möglichkeit enorm hohe Gewinne zu erzielen.

4 Phasen des Turnarounds

Bevor wir zu den Turnaround Kandidaten kommen noch ein wenig Theorie zu dem Thema. Was hier in der Theorie jedoch einfach verständlich und simpel wirkt, benötigt in der Praxis Erfahrung, um geeignete Kandidaten zu identifizieren.

Ein (erfolgreicher) Turnaround spielt sich in der Regel in vier Phasen ab:

Phase 1: Der Absturz

Der Absturz bildet als erste Phase den Anfang. Dieser kann schleichend über mehrere Jahre oder schlagartig aufgrund kritischer Sondersituationen erfolgen. Charakteristisch ist der Abverkauf der Aktie, der zu günstigen Kursen führt.

Phase 2: Die Bodenbildung

Charttechnisch verlangsamt sich hier die Abwärtsbewegung und wird schlussendlich gestoppt. Fundamental verkündet das Unternehmen seine Strategie zur Bewältigung der Krise. Für den Turnaround Investor ist die Bodenbildung der ideale Einstiegszeitpunkt, da das Unternehmen preisgünstig einkauft werden kann und die Kurse sich stabilisiert haben. Die meisten Investoren trauen sich in dieser Situation aber noch nicht an die entsprechenden Aktien heran, denn die Medien sind voll mit negativen Schlagzeilen und die Angst herrscht weiterhin vor. Nur wenige erfahrene Investoren schlagen in dieser Phase zu.

Phase 3: Turnaround

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Steigende Kurse, die in einen Aufwärtstrend münden zeugen vom gelungenen Turnaround. Fundamental bestätigen die Kennzahlen, was der Chart bereits einpreist. Der Turnaround Investor lässt an dieser Stelle die Gewinne laufen.

Phase 4: Gewinnrealisierung

Jeder Aktionär weiß, Gewinne sind nur Buchgewinne, bis sie realisiert werden. In Phase 4 steht nun die schwere Entscheidung an: (Buy and) Hold oder Gewinnmitnahme. Ein abnehmendes Volumen zeugt vom Ende des Aufwärtstrends aus Phase 3, fundamental stagniert und schrumpft das Unternehmenswachstum. Oft lässt sich in der letzten Phase beobachten, dass viele unerfahrene Anleger angelockt werden und voller Euphorie sind, aber die erfahrenen Investoren, die früh eingestiegen sind, langsam wieder Positionen liquidieren.

Bayer AG

Die Bayer AG ist ein deutsches Unternehmen aus den Bereichen Chemie und Pharma. Der DAX-Konzern ist in 3 Divisions untergliedert: Pharmaceuticals (verschreibungspflichte Medikamente), Consumer Healthcare (freischreibungsfreie Arzneimittel) und Crop Science.

Und gerade die letzte Division – Crop Science – ist auch das Sorgenkind, dass einen ganzen Konzern ins Straucheln gebracht hat. Die Division Crop Science ist die Pflanzenschutzsparte der Bayer AG, die auf den Gebieten Saatgut, Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung inner- und außerhalb der Landwirtschaft tätig ist.

2016 hatte Bayer den US-amerikanischen Agrarchemiekonzern Monsanto übernommen. Am 10. August 2018 wurde Monsanto in den USA zu fast 300 Mio. USD Entschädigungszahlungen an Krebsopfer verurteilt, tausende weitere Klagen drohten. Gerichte sahen eine (Mit-)Schuld an den Erkrankungen, welche durch Unkrautvernichtungsmittel ausgelöst sein sollen. Der Bayerkurs gab in der Folge nachbörslich um 10 % nach.

Während die Aktie am Tiefpunkt im November 2020 fast 55 % ihres Börsenwertes seit besagtem Tag im August eingebüßt hat, steht sie aktuell „nur“ noch bei Minus 28 %.

Strittig ist weiterhin, ob die Unkrautvernichtungsmittel krebserregend sind oder nicht. Studien und Einschätzungen liefern hier unterschiedliche Meinungen. Auf der Homepage von Bayer wird das Ganze zwar eher aus Unternehmenssicht, aber dennoch von beiden Seiten übersichtlich beleuchtet.

Laut Unternehmensmitteilungen strebt Bayer in diesem Jahr die finale Klärung der Prozesse vor dem obersten Gerichtshof in den USA an. Hier soll geprüft werden, ob die Klagen gerechtfertigt sind. In jedem Fall sollen gebildete Rückstellungen von 2021 im Wert von 7,5 Mrd. USD reichen, um das Thema final abschließen zu können.

Allerdings:
Ein neues Unheil in Form von Umweltverschmutzungen durch die Chlorverbindung PCB droht bereits…

Intel

Intel ist ein US-amerikanisches Halbleiterunternehmen und bietet eine breite Produktpalette im Bereich Mikroelektronik an. Was zunächst nach einem gut diversifizierten Unternehmen klingt, zeigt im Detail einige Probleme auf.

Vorab: Im Vergleich zu Bayer ist die Lage bei Intel auf den ersten Blick deutlich entspannter. Das ATH aus den 2000er-Jahren ist zwar etwas entfernt, aber der Aktienkurs hat sich auf einem hohen Niveau eingependelt. Und hier steckt auch das Problem. Eingependelt hat er sich dort seit 2018 in einer Seitwärtsbewegung. Und während Konkurrenten wie NVIDIA oder AMD, katalysiert durch den Halbleitermangel der letzten Jahre, zu wahren Kursraketen wurden, geht des extreme Branchenwachstum an Intel vorbei.

Und genau das macht Intel, wenn auch zu keinem klassischen Fall nach Lehrbuch, zu einem Turnaround Kandidaten. Intel war jahrelang Technologieführer der Branche. Doch nun machen drei Probleme dem einstigen Musterschüler zu schaffen:
Im Bereich der Produktion sind die Konkurrenten Samsung und TSMC an Intel vorbeigezogen. Dazu verlor der klassische Computerchip durch den Aufstieg von Smartphones und anderen Handhelds zunehmend an Bedeutung. Zu guter Letzt schuf der Konkurrent AMD mit der Ryzen-Serie einen Prozessor mit vergleichbarer Leistung, der aber deutlich günstiger ist. Die Kombination macht Intel nun zu schaffen.

Im Gegensatz zu Bayer ist der Weg für Intel noch weiter. 2025 soll der große Angriff auf die Konkurrenz starten. Zwar verkündete Intel-CEO Pat Gelsinger bereits im Dezember 100 Mrd. USD in neue Fabriken zu investieren und darin die neueste Technologie des Anlagenbauers ASML einzusetzen, jedoch sind diese Geräte aktuell noch in der Entwicklung und stehen Intel zwar als erstem Kunden weltweit, aber noch nicht sofort zur Verfügung. Laut Zeitplan sollen Ende 2023 Designs entwickelt werden und die Massenproduktion 2025 starten.

Abschluss

Turnarounds sind ein spannendes Investment. Ob Bayer, Intel oder auch AT&T und andere.

Mein Fazit zu Bayer fällt deutlich positiver aus. Trotzdem sollten Anleger bedenken, dass die Chemiebranche immer für eine (böse) Überraschung gut ist wie der PCB-Fall zeigt. Intel sehe ich deutlich kritischer. Die Pläne klingen nachvollziehbar, ambitioniert und sind eine Wohltat für gebeutelte Aktionäre. Aber die Konkurrenz schläft nicht und Intels Konkurrenten werden kaum Intels Fehler wiederholen und bis 2025 abwarten. Es bleibt in beiden Fällen also spannend.

Wie siehst du die Situation beider Unternehmen? Gelingt der Turnaround?

Ich bedanke mich fürs Lesen und wünsche eine erfolgreiche Restwoche.

Liebe Grüße 

Sven Klünder

Autor dieses Blogs:

2 Antworten

  1. Gerne noch mehr solcher Unternehmen aufführen. Oft wird ja bspw. auch ThyssenKrupp als Turnaround-Kandidat genannt. Gibt aber noch jede Menge weitere Unternehmen.

    Gerne mehr davon 🙂

  2. Moin Thomas.

    klasse, dass der Beitrag dir gefallen hat.
    Nehme ich mal als Idee auf, für den nächsten Turnaroundcheck

    LG
    Sven

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